Samstag, 21. Mai 2011

Mazungo goes Uganda...

Der Bus von "easy coach" steht schon bereit, als Mazungo atemlos im Busbahnhof eintrifft und jemand der aussieht wie ein Arzt, schickt mich zu einem Schalter wo ein anderer Arzt mein Ticket prüft und meiner Tasche einen Aufkleber verpasst.
Nach ein paar Minuten im Warteraum, in dem die Reisenden auf einem riesigen Flachbildschirm stumme Musikvideos angucken müssen, zu meiner Überraschung folgt ein ABBA Clip dem anderen, genauso wie auch in den Bahnhöfen Vietnam´s, wo ebenfalls, aber in voller Lautstärke, fast ausschliesslich Videos des schwedischen Doppelpärchens abgespielt werden. 

Erstaunlich. Vielleicht, überlegt Mazungo, gibt es eine Firma die weltweit ABBA Clips an Bahnhöfe und Busstationen verleiht.
Die Company Farbe von „easy coach“ ist weiss, was man daran erkennt, dass der Bus schneeweiss ist, die Kittel der Mitarbeiter ebenso und mit den angehefteten Security Badges an den Brusttaschen und den Schüsselbünden, die Stethoskop gleich um den Hals getragen werden, sehen alle so aus wie „Arzt im Praktikum“.
Endlich kommt der Oberarzt, den man daran erkennt, dass er ein grosses Megaphon vor den Mund hält und den Passagieren in spe zuerst in english und danach auf kisuaheli schreiend bekannt gibt, dass der Bus nun abfahrbereit sei und man nun vorzutreten habe.
Der Gepäckschein wird gewissenhaft kontrolliert ehe die Tasche im Frachtraum verschwindet und an der Eingangstür des Busses stehen ein männlicher und ein weiblicher Security, nicht in weiss sondern in dunkelblau, die ernst die Fahrscheine inspizieren, einen nach Waffen und spitzen Gegenstände abtasten und einen mit einem immer wieder aufheulendem Detektorstab flughafengleich abhorchen, und natürlich heult der Stab bei mir wieder mal besonders laut auf, welches wiederum die altbekannte Standardfrage nach getragenem Metall aufbringt welches ich routiniert mit meinem „Titanimplants“ als Standardwitz beantworte (nochmal herzlichen Dank an dieser Stelle an die Uni-Zahnklinik in Freiburg) und auf meine schneeweissen Zirkoniumzähne zeigend, (nochmal herzlichen Dank an dieser Stelle an die "Keiser Zahnklinik" in Singapur), welches wiederum ein bestätigendes Nicken der Security Leute auslöst, die wohl schon die abstrusesten Erklärungen sich angehört haben müssen.

Mein prallgefüllter Tagesrucksack ruft Skepsis hervor, da er "much to big" sei um auf die Gepäckauflage hinauf zu passen, den dürfe ich nicht mit in den Bus reinnehmen, sondern der gehöre in den Frachtraum.
„What´s inside“? fragt der männliche Security.
„Notebook, Camera, personal belongings, medications“, antworte ich wahrheitsgemäss und ich bestehe natürlich darauf alles mit in den Passagierraum mit hineinzunehmen, welches man mir dann auch schlussendlich und liebenswürdigerweise erlaubt.


Mein Sitzplatz, 5A, ein Einzelsitz ohne Nachbar, in der Mitte des in plüschrot gehaltenem Busses, mehr ein Sessel denn ein Sitz, kann man fast waagerecht nach hinten klappen, dies jedenfalles soweit bis er die Knie der hinter mir sitzenden Frau touchiert, welches diese nötigt mir sogleich mitzuteilen zu müssen, dass sie nicht gewillt sei diesen Zustand weiterhin tolerieren zu wollen.
Recht hat sie. 
Ein paar Minuten später testet auch mein Vordermann wie weit wohl sein Sessel umklappbar sei und als seine Rückenlehne dann auch auf meinen Knien liegt, teile ich ihm ebenfalls mit, dass ich nicht gewillt sei, seine gewählte Sitzposition länger tolerieren zu wollen.
Ich muss noch herausfinden ob dieser Bus bis Kampala durchgeht oder ob ich an der Grenze in einen ugandischen Bus umsteigen muss und während ich noch nach einem weissen Kittelträger Ausschau halte den ich fragen könnte, geht es schon los, es ist Punkt 19 Uhr, zuerst im Stop-and-Go aus dem Feierabenverkehr von Nairobi hinaus, weswegen ich beschliesse meine Frage auf später zu verschieben und stattdessen mein Notebook mit dem eingestecktem Safaricom Umts-Stick auf meinen Knien zu starten um im Internet zu surfen.
Auf www.wort.lu muss ich lesen, wie Passanten im luxemburgischem Bahnhofsviertel, gewürgt, beklaut oder erstochen werden und dann fragt Mazungo sich, warum er denn in Afrika Schiss haben sollte.

Der Bus ist zu dreiviertel gefüllt, ich bin der einzige Weisse, es wird leise und ruhige afrikanische Musik gespielt, ugandische wie ich später auf Nachfrage erfahren werde.
Leider gibt es keine Toilette im Bus, welches später zu einem immer dringenderen Problem für mich werden wird, denn immerhin ist die planmässige Fahrt nach Kampala 12 Stunden lang, aber es wird trotz dieser vielen Stunden einer meiner angenehmsten Busreisen.

Wer einmal in seinem Leben in einem Gefrierfach von thailandíschem Überlandbus sass und stundenlang lautes Karaokegeplärre ertragen oder in Vietnam im stop-and-go über vollgepferchte Feldwege, die als „Nationalstrasse“ bezeichnet werden, neben kotzenden Mitfahrern ausharren musste, weiss von was ich rede.
Nachdem wir Nairobi hinter uns gelassen haben, geht es auf einer ziemlich gut ausgebauten Strasse schnell und bequem vorwärts, die Nacht ist, obwohl bewölkt und sternenleer durch einen gütigen Vollmond hell erleuchtet, welcher uns die ganze Reise hinüber links neben dem Bus begleitet, also im Süden stehend.
Als meine letzten Safaricom-Megabytes verbraucht sind ist es weit nach Mitternacht, ich klappe das Notebook zu, stelle den Sitz in eine bequeme Schlafposition und döse vor mich hin, den beeindruckenden afrikanischen Mond als freundlichen Begleiter, lausche dieser relaxen ugandischen Musik, ein Sänger der sich liebevoll mit zwei Sängerinnen abwechselnd austauscht, es kann nur um die Liebe gehen:


Der Song geht ziemlich lange und es ist wirklich sehr entspannend, so lange jedenfalls bis mein Sitzvordermann, wahrscheinlich gelangweilt, immer wieder an seiner Sitzposition herumspielt und als ich zum zigsten Mal seine Rückenlehne auf meinen Knien habe, weiss ich, dass er es mit Absicht tut und nachdem ich ihm zweimal freundlich darauf hingewiesen habe dies zu unterlassen, und er immer noch nicht damit aufhören will, reicht es mir, ich stehe auf und trete in den Gang hinaus an seinen Sitz, mich zu ihm herunterbeugend, Nasenspitze an Nasenspitze quasi, streng guckend meine Mutter imitierend, die Augenbrauen hochgezogen und sage: 
„My dear friend, you better stop it now, or we will solve this problem like real men outside“.

Das hat geholfen, der Engländer aus Nairobi hat mit diesen Tip gegeben, dass man bei Provokationen nicht kuschen sondern die Konfrontation suchen soll, da niemand es darauf ankommen lassen würde, ausser der ostafrikanische Feind hätte eine Machete in der Hand oder wäre in der Mehrzahl, weil bedingt durch die zahlreichen Hollywoodfilme die Weissen als schlägereifreundlich angesehen seien.

Nun, der Bluff hat dieses Mal jedenfalls funktioniert, er hat verschreckt genickt und sich nicht mehr getraut seinen Sesselhebel anzufassen. Er wollte es wohl nicht vor der Tür austragen, was mir sehr entgegen kommt.
Dann kehrte Ruhe ein, Mazungo kann wieder entspannen und irgendwann in aller Herrgottsfrühe kommen wir in Kisumu, der Hafenstadt am Viktoriasee an, die Aussteigestation für meinen Vordermann und er zahlt es mir heim, lässt sein Rückenlehne mit voller Wucht auf meine Knie krachen, schnappte sich seine Tasche und rennt davon. 
Ich gucke ihm durch das Busfenster hinterher wie er rennt, er ist wirklich sehr schnell und sportlich und es gibt nicht den geringsten Zweifel daran, wer von uns beiden als "real man", das Problem "outside" besser gelöst hätte.
Nachdem neue Passagiere eingestiegen sind, geht es weiter und jetzt fängt mein Darm, zuerst schüchtern und höflich, anzufragen an, ob vielleicht die Möglichkeit bestünde alsbald entleert zu werden und ich kann ihn zu diesem Zeitpunkt noch beruhigen und weiter hinhalten, alles kein Problem, der nächste Toilettenstop komme alsbald und dieses ganz bestimmt. 
Und so dösen wir drei weiter (der dicke Mazungo, der kleine Mazungo weiter unten und der Darm weiter hinten) und tatsächlich stoppt der Bus keine 2 Stunden später.

„Basso“, sagt jemand, und in einem Mischzustand, den ich wohl nur als verschlafen, toilettenverzweifelt und Dummheit bezeichnen kann, stehe ich auf, lasse meinen Tagesrucksack mit allem was ich an Wert habe auf meinem Sitz zurück und steige aus dem  Bus, einen Rastplatz erwartend und mich nach einer Toilette umschauend. 
Hinter mir geht die Bustür zu, der Bus fährt wieder ruckwärts auf die Strasse und entschwindet in der Nacht.
Ich bin ziemlich verwirrt, es dauert eine Weile bis ich vollends wach bin, schaue mich um, auf einem Kiesplatz mitten im afrikanischem Busch stehend, es ist halb vier morgens, der Mond scheint noch immer gütig aber nun auch leicht nachdenklich, es ist kühl und feucht und bis auf die obligatorisch zirpenden Grillen ist nichts weiter zu hören.
Meine Mitfahrer sind verschwunden und Mazungo steht alleine da, sich umblickend, seine Lage sondierend. 
Auf der anderen Seite der Strasse steht pittoresk eine kleine Kenlo Tankstelle, um diese Zeit natürlich geschlossen, die nicht nur aussieht wie aus den 50er Jahren, sondern wohl tatsächlich vor sechzig, siebzig Jahren gebaut worden ist.
Die rostigen Tanksäulen stehen auf ungepflastertem roter Erde, hell leuchtende Neonröhren, von wütend summenden Insekten und selbstmordgefährdenten Motten verzweifelt umschwirrt, lassen den Lehmboden noch röter, noch intensiver wirken, weswegen Mazungo dieses magische Zauberbild wohl noch länger verinnerlicht haben wird und selbstverständlich gibt es auch die atmosphärisch verstärkende, weil flackernde, vor sich hinbrummende Neonröhre, so wie man es aus diesen Filmen kennt, die abseits der Städte entlang den staubigen Wüstenstrassen Phoenix oder Nevada´s gedreht worden sind. 

Wie gerne würde ich diese Tanke fotografieren, aber mein Fotoapparat reist ohne mich durch die Nacht, wahrscheinlich streiten der Busfahrer und der Conductor sich gerade darum, wer das Notebook und wer die Kamera bekommt.
Ich gehe über knirschende Kiessteine in die Richtung wohin auch meine Mitfahrer entschwunden sind, wenigstens habe ich meinen Pass, mein Kreditkarten und Dollarscheine in meinem Geldgürtel dabei, den ich auf Reisen um meinen wohlbeleibten Body trage und ziehe freudig den Geruch der feuchtwarmen Erde tief in meine Lungen ein.
Auf der anderen Seite des Kiesbeets sehe ich ein kleines Häuschen, mit zwei kleinen hell erleuchteten Fensterchen, welches ich sogleich als Toilettenhäuschen deute. Es ist allerdings, wie ich feststellen muss als ich dort ankomme, das kenianische Immigration Office. 
Hinter einer der Glasscheiben sitzt eine Beamtin und schaut überrascht als ich vor ihr stehe. Sie wollte sich gerade nach erfolgter Abfertigung meiner Mitfahrer eine Tasse Tee einschenken. Ich reiche ihr meinen Pass und meine Departure Card durch die kleine Luke, sie stempelt meinen Pass ab und reicht ihn mir zurück. Das wars. Nun kann sie ihren Tee trinken und ich weiter eine Toilette suchen, aber dafür ist wohl in diesem Toilettenhauschen kein Platz. 
Zehn Meter weiter bewacht ein finster dreinblickender Soldat mit einem Gewehr eine schwere Schranke und ich gehe auf ihn zu um zu fragen wo ein Klo sei. Ich werde meinen Darm nicht mehr viel länger beruhigen und hinhalten können.
“Where are you going”?, fragt er mich.“  
To the toilet”, sage ich.  
“Where are you from”?
“I am from Luxembourg”.
Er: „Luxem“?
Ich: "burg".
Er: „Passport“!!
Ich gebe ihm meinen Pass. 
 „Are you going to Uganda”? fragt er. 
 “Yes, Is there a toilet”? 
“Many“, sagt er und er überlässt es mir herauszufinden ob das seine Art von Humor ist.
“I need to see you yellow fever certificate”, befiehlt er finster. 
Dieses habe ich, allerdings im Rucksack im Bus, der wahrscheinlich unterwegs zurück nach Nairobi ist.
„I have it”, sage ich freundlich und bestimmt, "its in my bag in the bus". 

Er schaut noch finsterer und ich erwarte nun, dass er mich nach Geld fragen wird, denn wo sonst auf der Welt gibt es eine bessere Gelegenheit, einem Weissen, der um vier Uhr morgens in Afrika alleine ohne Zeugen vor einem bewaffneten Grenzsoldaten steht und dringend aufs Klo muss und dem man wegen dem fehlenden Impfpass die Einreise verwehren könnte, Geld abzupressen?

Hoffentlich wird es nicht zu teuer, denke ich noch, aber er gibt mir, weiterhin finster blickend, meinen Pass zurück und sagt überraschend freundlich „Welcome to Uganda“ und lässt mich durch.

Auf der anderen Seite der Schranke gibt es ebenfalls ein Toilettenhäuschen, ebenfalls ohne Klo, denn es ist das ugandische Immigration Office. 
Vor dem Eingang steht eine Sicherheitschleuse, in die Mazungo hindurch muss, sie schlägt natürlich Alarm und ich benutze  wie immer meinen abgenutzten Witz mit den Zahnimplantaten, der Security nickt müde und lässt mich in den kleinen Raum hineintreten. 
Zwei Immigration Officer, ein Dicker im weissem Uniformhemd mit vielen Streifen auf der Schulter und eine ältere Dame in Zivil im Blümchenkleid schauen mich verwundert an. 
Auch sie wollen gerade Teatime machen.
Ich lege der Dame, wegen den Blumen und weil freundlicher blickend, meinen Pass hin, die Daten werden in einen PC eingescannt, daraufhin werden mir zuerst die Fingerabdrücke der vier rechten Finger digital abgenommen, dann auch den Daumen und das ganze nochmal mit der linken Hand. Das ganze geht so freundlich vonstatten, wie es uns Menschen, morgens um Vier, nur möglich ist. 

Ich frage nach "ninety days", die Beamtin nickt, macht mich darauf aufmerksam, dass es aber kein „multiple entry“ sei, ich zahle fünfzig US-Dollar, mein Pass wird gestempelt, ich bekomme eine Quittung und ein freundliches „have a good time in Uganda“ mit auf den Weg und Mazungo darf hinaustreten in die kühle und feuchte ugandische Nacht um weiterhin nach einem Klo Ausschau zu halten...


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