Dienstag, 28. Juni 2011

House of Peace...

Mannomann, ist das ein Kreuz mit dem Schreiben. Seit Wochen bin ich müde und dauererschöpft. Keine Ahnung ob ich mich in einer depressiven Phase befinde oder ob mich die Tse Tse Fliege erwischt hat. Aber Depressionen im Juni?
Obwohl ich mir permanent Gedanken mache über was ich als nächstes schreiben könnte und auch der Wille zum Schreiben da ist, fehlt es mir an der nötigen Energie zur Umsetzung.
Ein Kreuz ist das. Verflucht. Ich könnte über die elendig lange Folterbusfahrt von Jinja nach Nairobi schreiben. Über herumkrakälende Passagiere, über ein ohrenbetäubendes, um Hilfe schreiendes Schaltgetriebe, über kranke dauerweinende Kleinkinder mit angsteinflössendem Husten und nachfolgendem Röcheln. Über den Krüppel der neben meinem Sitz auf dem Gangboden liegt, mit seinem versteiften linken Arm, einem Gartenrechen gleich, immer wieder an meinem rechten Oberschenkel kratzend.

Aber warum sich beschweren, ich bin gesund, habe elastische Arme und einen Sitzplatz und ich darf einen leidgeprüften Arsch mein eigen nennen, der im Laufe der Zeit auch immer elastischer wird.
Ich bin nicht der einzige Weisse in dieser rollenden Akamba Hölle. Neben mir sitzt Peter, ein Südafrikaner aus Durban, der seit 14 Jahren in Afrika herumreist und in Juba eine Raftingagentur aufzieht. (African Rivers). Er könnte mir viel über Afrika erzählen, aber er schläft die 13 Stunden bis Nairobi durch. Bewundernswert. Ich hasse ihn dafür, dass ich ihn in Nairobi aufwecken muss.
Über 13 Stunden Schlaflosigkeit in Gestank, Enge, Hitze, Geschrei und dieser verknöcherte Arm.
Im nächsten Schlaf, werde ich von ihm träumen.

Die erlösende Ankunft dann endlich um fast 10 Uhr morgens in Nairobi an der Accra Road, River Road. Namen des Schreckens in den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes ("sind auch am Tag zu meiden").
Die Schlawiner, Betrüger, die Diebe und die Johny´s. Sie warten schon.
Ich könnte den Spiessrutenlauf beschreiben zum Hotel, welches wieder das Arkland Palace Hotel ist. Interessant auch, die Begegnung mit Moses. "Moses the Thief" halte ich als Posting Überschrift schon bereit.
Über Jean und die prügelnden Polizisten müsste ich unbedingt schreiben. Das war ne Nummer. Auch da hätte ich schon die passende Überschrift: "The Kidnapping of Monsieur Jean" (weil Jean Belgier ist, kommt mir "Jean la Gaufre" in den Sinn. Aber das ist ein luxemburgischer Schueberfouer Insider Witz, der den Residents vorbehalten ist).
Hört sich spannend an, nicht wahr? Ist es auch.
Nur mich hinsetzen und in die Tasten hauen müsste ich. Wie werde ich diese Dysthymie bloss wieder los?

Oder die Zugfahrt zurück nach Mombasa. Warum wieder der Zug? Ganz einfach deswegen weil die Busse nach Arusha (Tanzania) alle morgens um 6 Uhr abfahren. Vom Busbahnhof. Accra Road, River Road. Im Dunkeln noch. Zu Fuss müsste man dahin. Kein Taxifahrer in Nairobi, der einen Weissen zu dieser Zeit zu einem halbwegs vernünftigen Preis dorthin fährt. Also über Mombasa nach Tanzania. Ist eh bequemer mit dem Zug. Der fährt um 19 Uhr. Nur 9 Minuten zu Fuss vom Arkland, wenn man stramm marschiert.
Und das tut man in Nairobi. Ganz wie von selbst. Glaubt mir das. Nairobi, ist eine Stadt der schnellen, hastigen Schritte.
Einen besonderen, magischen Moment dieser Zugfahrt, der schönste in langer Zeit, ist das Erlebnis mit dem etwa 8-jährigen Mädchen. Wie sie mit wehenden Haaren in ihrem wunderschönen afrikanischem Kleid in der Morgendämmerung neben dem Zug sprintet. Wie ihre nackten Füsschen im Stakkato, hoffentlich schmerzfrei, in den Schotter des Nebengleises hämmern. Wum, Wum, Wum, Wum, Wum.
Ich bin so fasziniert von Ihr, dass ich fast vergesse ihr das Goldnugget, in Form einer 20 Schillingmünze aus dem Zugfenster zuzuwerfen.
Wie sie sich streckt und wie sie es schafft, von der Erde losgelöst und von der Schwerkraft befreit, das Nugget im Flug einzufangen, ihr triumphierender Blick ist auf ewig in meinem Kopf abgespeichert.

Auch über Sansibar müsste ich unbedingt schreiben. Wahrgewordene Sehnsucht in 8 Buchstaben.
Über Klischees und Träume und meine erlebte Wirklichkeit.

Nun sitze ich hier in der Florida Bar in Dar es Salaam, ("Dar es Salaam" heisst übersetzt: "House of Peace") unweit der Fähranlegestelle wo die Schnellkatamarane nach Sansibar ablegen, einen Jack Daniels on the Rocks vor mir den ich nicht bestellt habe und auch nicht trinken will und versuche die letzten Wochen Revue passieren zu lassen.

Leider ist irgendwann der besoffene Inder aufgetaucht. Ich komme hier rein, die Bar menschenleer und ruhig und dunkel weil mal wieder Stromausfall ist und erwähle einen der 5 Barhocker zu meiner Sitzgelegenheit. Ich wähle offensichtlich den falschen. Irgendwan steht er neben mir, der kleine Besoffene, kaum grösser als eine Parkuhr und schreit herum: Sein Hocker sei das. Seiner ganz allein. Seit 5 Jahren, und dies jeden Abend, würde er auf diesem Hocker sitzen. Und schon, er wäre ja nur kurz pieseln gegangen, schon sitze jemand auf seinem Hocker. Dieser jemand, das bin ich.
Habe ich schon erwähnt, dass ich Inder nicht sehr mag? Streitsüchtige und besoffene schon gar nicht.
Ich wechsele den Hocker, einer rüber nach rechts. Im nachhinein hätte ich gehen sollen. Zurück ins Rainbow. Aber da gibts kein Alk und keine Ruhe. Das Rainbow Hotel ist unter indischem Management. Wie kann es da ruhig sein?

In jedem halbvernünftigen Business in Dar es Salaam scheinen die Inder das Sagen zu haben. Das scheint die tanzanische Dreiteilung zu sein. Die Inder ziehen das Business hoch und leiten es und versuchen mantra mässig den unmotivierten, weil schlecht bezahlten Schwarzen beizubringen was sie zu tun haben. Die Weissen sind die zahlenden Kunden und die Schwarzen machen alles falsch.

Am Ende der Geschäftstransaktion sind alle unzufrieden. Der Weisse, weil er denkt, dass er für schlechte Leistung zu viel bezahlen musste und sich verkackeiert fühlt, der Inder, weil er so wenig Geld für seine geleistete finanzielle und nervliche Investition zurückbekommt und überdies diesen unmotivierten Angestellten auch noch bezahlen muss und letzlich auch der Schwarze, weil er, egal was er macht, er immer der Schuldige ist und fast nichts für ihn abfällt.
Ist ein Kreuz.

Da ich zu diesem Zeitpunkt noch die Hoffnung hege, in Ruhe ein Bierchen trinken zu können und zu überlegen, ob ich was und wie im Blog schreibe, mache ich den Fehler und bleibe noch in diesem House of No-Peace.

Familiengerechter müsste ich schreiben, natürlich. Besser für einige Zeit keine Sex Stories mehr. Kommt nicht sehr gut an und ist meinem Image nicht sehr zuträglich. Möchte schliesslich kein Huellebecq werden.
Politisch korrekt soll es auch sein, bitteschön. Und schon gar kein Rassismus. Das geht nun gar nicht. Inder sind auch nur Menschen.
Verdammt, es ist ein  Kreuz mit dem Schreiben. Man muss höllisch aufpassen. Vor allem auf die Gefühle und Befindlichkeiten der Leserschaft.

Nächtelang haut man in die Tasten, und die Reaktion: ein einziger Satz, eines einzigen Lesers, in 5 Sekunden hingeschrieben: "Du verdammter Rassist!" Ha. Jetzt hab ich endlich schwarz auf weiss was ich schon immer geahnt habe: Ich bin ein Rassist. Luxemburger mag ich übrigens auch nicht. Ich bin also ein masochistischer Rassist. Vielleicht kommt daher mein Defätismus.

Apropos, Leserschaft: Google Analytics hat mir vor kurzem mitgeteilt, dass mein Blog Africa ? Africa ! mittlerweile über 10.000 mal aufgerufen wurde und dass ich nun 152 Stammleser hätte.
Durchschnittlich bleiben diese 8 Minuten und 52 Sekunden pro Besuch auf der Seite.
12 % meiner Leser rufen nach meinem Blogbesuch pornografische Seiten auf oder schauen sich Bilder von Negerärschen (politisch korrekt: Mohrhintern) an, die sie über google finden.
Ob ich interessiert sei, Werbung zu platzieren? (He he, klar. Ich bin käuflich, alles nur ne Frage des Geldes).

Schreiben ist Leid, hat mal jemand gesagt. Das vorher, das kurz davor, bevor man anfängt zu schreiben ist noch viel schlimmer, glaubt es mir. Ein Kreuz.
Ich könnte das Notebook auspacken, aufklappen und loslegen. Akku hält 6 Stunden. Ideale Bedingungen also hier in der Florida Bar. Kein Strom, keine Musik, über mir eine violette Neonröhre die von einem knatternden Generator draussen auf dem Bürgersteig flackernd am Leben gehalten wird.

Alleine hier im Halbdunkeln mit einem kalten Bierchen vor einem und dem schweigsamen Barkeeper in der Ecke. Was will der Schreiberling mehr? Einer weniger, besser gesagt, wäre mehr.

Wenn dieser verdammte Inder nicht wäre. Mist, das "verdammt" muss ich wieder streichen.
Und ich war so froh diese Bar gefunden zu haben. Man mag es kaum glauben wie schwer es in Dar es Salaam ein Bierchen zu bekommen. Moslemisch eben. Fühle mich seit Ankunft in Tansania sowieso permanent verkackeiert. Hab auch versucht das mal einen Tansaner zu sagen. Aber mir ist da grad das englische Wort für "verkackeiern" nicht eingefallen.
Die Leutchen hier können äusserst schlecht englisch. Aber so freundlich. So freundliche Leute sind diese Tansaner. Das hört man von jedem der schon mal in Tansania war und einem über den Weg läuft. Dass man permanent verkackeiert wird verschweigen sie einem allerdings.

Die Hotels zum Beispiel. Two Rates Politics. Resident Übernachtungspreis und Non-Residents. Non-Residents müssen signifikant mehr und in USD zahlen. Tansanische Schilling werden aber auch gerne genommen. Zum schlechten Umtauschkurs allerdings. Ich darf 40 USD das Nächtle im Rainbow bezahlen. Habe es immerhin geschafft 5 Dollar runterzuhandeln. Im "Durban" bestanden sie auf 50 USD.

Mein teuerstes Zimmer in Afrika bisher. Hab nichts billigeres in der unteren Mittelklasse gefunden und nach einer Stunde Rumgerenne und Hotels checken zu früh aufgegeben.
Die Fähre nach Zanzibar kostet 40 USD für die 2 Stunden Überfahrt. Nicht verhandelbar. Dafür sitzt man in der VIP Klasse. Das ist First Class plus Kühlschrankeffekt. Für die Residents nur ein Drittel des Preises.

Das ist natürlich kein Rassismus. Ist ja nicht schwarz/weiss sondern Resident/Non-Resident.
Unglücklicher Zufall eben, dass fast alle Residents schwarz und alle non-Residents weiss sind. Verkackeierung nenne ich das. Vielleicht sollte ich ein Leserbrief ans "Luxemburger Wort" schreiben. Mit dem Vorschlag Museen, Hotels und die Tretboote auf dem Echternacher See für die Residents zum üblichen Preis, für die Non-Residents das dreifache bitte. Der Ausweis ist vorzuzeigen.

Isch egal. Ich werde jetzt das grosse Geld mit platzierter Google Werbung für Mittelchen gegen erektile Dysfunktion und Negerküsse, pardon, Mohrköpfe, auf meiner Seite machen. Hmm, gerade fällt mir ein, dass in keinem Supermarkt in Ostafrika Mohrköpfe zu kaufen wären. Kein Sarotti in East-Afrika. Vielleicht mögen die Schwarzen keine Negerküsse,
Bin mal gespannt wer Werbung machen will. Hoffentlich ist die Condor auch dabei, obwohl die müssen mir nicht mal Geld geben, Upgrading in die Business reicht mir ;-).

Die besoffene, hindisprechende Parkuhr neben mir, hat indes beschlossen, da er ja wieder auf seinem Stammhocker sitzen darf, Freundschaft zu schliessen. Ein Jack Daniels nach dem anderen bestellt er, auf ziemlich bösartige Art und Weise, beim Barkeeper. Dieser solle es sich ja nicht einfallen lassen, ihn später bei der Rechnung betrügen zu wollen. Er würde sowieso nicht alles zahlen. (Wird er tatsächlich nicht, und diese Story wäre ein eigenes Posting wert. Es endet jedenfalls damit, dass ich zum Schluss meine 2 nicht bestellten Jack Daniels selber bezahlen werde).

Während die indische Parkuhr weiter faselt und weiter schimpft und ein feiner violetter Sprühregen seine Worte begleitet um als "purple rain" meine linke Wange zu benetzen träume ich mich weg, weit weg, sehr weit weg. In eine Bar, so perfekt wie eine Bar nur sein kann. Sie liegt an der 37. Avenue, Ecke 11th. Street und ohne die Stadt beim Namen zu nennen bin ich sicher, dass meine Leser schon wissen welche Stadt es ist. Ich selbst bin übrigens nur in Form eines tansanischen Tagtraums dort gewesen und werde in meinem nächsten Posting darüber berichten.
Isn´t that WunderBar?


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